Münchener-Rück-Analyse „Naturkatastrophen 2002“: Volkswirtschaftliche Schäden auf 55 (2001: 35) Mrd. US$ deutlich erhöht / Schwerste Überschwemmungen in Europa seit Jahrhunderten / Außerordentliche Häufung heftiger Unwetter und Sturzfluten / Wintersturm Jeanett einer der teuersten Stürme für die deutsche Assekuranz / Neuer „El Niño“ kündigt sich an / Steigende Schadenpotenziale erfordern auf Versicherungsseite Anpassungen bei Preisen und Bedingungen
Das Jahr 2002 war ein Jahr der Extreme: Wissenschaftler dokumentierten Rekordwerte bei Stürmen, Niederschlägen und Überschwemmungen. Häufig waren es nur glückliche Umstände, die das Zustandekommen noch größerer Schäden verhinderten.
Die Münchener Rück erfasst und analysiert die Elementarschadenereignisse weltweit. Die Ergebnisse im Einzelnen:
Weltweit kamen im Jahr 2002 etwa 11 000 Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben; im Jahr zuvor waren es wegen der großen Erdbebenkatastrophen in Gujarat (Nordwestindien) und in El Salvador etwa 25 000 gewesen 
Die Anzahl der Naturkatastrophen lag 2002 bei nicht weniger als 700 erfassten Schadenereignissen und damit über dem Durchschnitt der 90er-Jahre (650). 
Die volkswirtschaftlichen Schäden schnellten auf rund 55 Mrd. US$ hoch (2001: 35 Mrd. US$), vor allem wegen der Sommer-Überschwemmungen in Europa. 
Die versicherten Schäden erreichten etwa 11,5 Mrd. US$ (wie im Vorjahr). 
Gegen Jahresende verdichten sich die Hinweise auf ein neues „El-Niño“-Ereignis rings um den Pazifik: schwere Dürre in Australien, Überschwemmungen an der US-amerikanischen Pazifikküste und heftige Schneestürme im Mittleren Westen und an der Ostküste der USA. 
Im Bereich der technischen („man-made“) Katastrophen war das Jahr 2002 zwar gekennzeichnet von zahlreichen Flugzeugabstürzen, Schiffsunglücken (mit teils verheerenden Umweltschäden wie an der Nordwestküste Spaniens), Großbränden und erneuten Terroranschlägen, jedoch erreichten sie bei weitem nicht das Schadenausmaß und die Opferzahlen der Naturkatastrophen. 
Auch wenn das Naturkatastrophenjahr 2002 bei langfristiger Betrachtung insgesamt im Rahmen der normalen Schwankungsbreite lag, muss die Assekuranz doch mit weiter steigenden versicherten Schäden aus diesem Bereich rechnen. Stefan Heyd, im Vorstand zuständig für Grundsatzfragen des Rückversicherungsgeschäfts: „Die Münchener Rück analysiert, modelliert und berechnet seit vielen Jahren Schadenpotenziale, gerade auch aus Naturgefahren, zumal die Versicherung gegen die Folgen aus Katastrophenereignissen wesentlicher Teil unseres Geschäfts ist. Wir wissen aus unseren Analysen, dass sich der Schadentrend weiter verstärken wird. Erstklassiger Rückversicherungsschutz und Service der Münchener Rück können deshalb nur zu Preisen und Bedingungen zu haben sein, die allen Risikofaktoren Rechnung tragen, insbesondere auch der weltweiten Zunahme wetterbedingter Extremereignisse und den steigenden Wertekonzentrationen.“
Stürme und Überschwemmungen prägen die Schadenbilanz 2002
Stürme und Überschwemmungen führen die Jahresbilanz mit knapp 500 von insgesamt 700 erfassten Schadenereignissen an. Sie prägten mit 98 % der versicherten Naturkatastrophenschäden auch die Schadenbelastungen der Assekuranz.
Das herausragende Elementarschadenereignis des Jahres 2002 waren die großen Überschwemmungen an Donau, Elbe, Moldau und ihren Nebenflüssen im August. Es handelte sich dabei um die schwersten Überschwemmungen in Europa seit Jahrhunderten, vermutlich sogar seit der „Jahrtausendflut“ im August 1342. Sie verursachten europaweit volkswirtschaftliche Schäden von rund 18,5 Mrd. US$; davon waren gut 3 Mrd. US$ versichert. Da Flutschäden gebietsweise wenig versichert waren, prüft die Assekuranz derzeit neue Versicherungsangebote. 
Tropische Wirbelstürme traten vor allem auf Mauritius und La Réunion, in Südkorea, Japan und Mexiko auf. Dina, der stärkste Zyklon vor Ostafrika seit 20 Jahren, traf im Januar Mauritius und La Réunion und richtete dort Schäden an den Hafenanlagen von Port Est an. Taifun Rusa zerstörte Anfang September in Korea 650 Schiffe und Boote und schädigte unter anderem die Fischfarmen des Landes nachhaltig. Mit Taifun Higos ereignete sich Anfang Oktober einer der aus meteorologischer Sicht stärksten Taifune der letzten Jahre über dem Nordwestpazifik; allerdings schwächte er sich vor seinem Eintreffen in Japan deutlich ab. Ähnlich im Golf von Mexiko: Dort beschädigten die Hurrikane Lili und Isidore Ende September/Anfang Oktober zahlreiche Offshore-Ölplattformen, bevor ihre Wucht an der Küste nachließ. 
Spektakulär verliefen zwei Tornadoserien im April und November im Mittleren Westen der USA: Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 330 km/h hinterließen sie an zahlreichen Orten eine Spur der Verwüstung. 
Lang anhaltende Sand- und Staubstürme mit außergewöhnlich hohen Staubkonzentrationen überzogen im Frühjahr weite Teile Ostasiens. In Sibirien, der Mongolei, Korea und China waren jeweils mehr als die Hälfte des Landes von den Stürmen betroffen. 
Je länger eine Naturkatastrophe dauert, desto intensiver ist die öffentliche Wahrnehmung. Doch auch bei kurzer Dauer können immense Schäden eintreten. So wurde im Gegensatz zur starken Medienpräsenz während der verheerenden Überschwemmungen im August über einen der bisher teuersten Stürme der deutschen Versicherungswirtschaft nur wenig berichtet. Dabei erfasste Jeanett Ende Oktober fast ganz West- und Mitteleuropa und wird die Versicherer voraussichtlich über 1,5 Mrd. US$ kosten. Allein in Deutschland wird die Assekuranz für Jeanett voraussichtlich mehr auszahlen müssen als für den Wintersturm Lothar 1999 (650 Mio. US$). Eine ähnliche Größenordnung hatten in Deutschland bisher nur die Orkane Daria, Vivian und Wiebke im Januar/Februar 1990 erreicht (versicherte Schäden damals je rund 600 Mio. US$). 
Eine Flut von Rekord-Niederschlägen
Zahlreiche Unwetter führten – im Einklang mit den Prognosen der Klimaforschung – in vielen Teilen der Welt zu neuen Rekorden bei den Niederschlagsmengen und zu regionalen und überregionalen Überschwemmungen. Auch in Europa erreichten Niederschlags- und Abflussmengen neue historische Höchstwerte:
Auf Mallorca wurden im August in nur drei Stunden pro Quadratmeter bis zu 224 Liter Regen (vergleichbar mit dem Inhalt einer Badewanne) gemessen; zahlreiche Sturzfluten, Erdrutsche und Gerölllawinen waren die Folge. 
In vielen Regionen Europas kam es in den Sommermonaten Juli und August zu ergiebigen Starkniederschlägen, die zahlreiche Flüsse über die Ufer treten ließen und Sturzfluten auslösten. In Dresden fielen beispielsweise am 12. August innerhalb von nur 24 Stunden 158 Liter Regen pro Quadratmeter; das ist mehr als doppelt so viel, wie dort jemals zuvor gemessen wurde (77 Liter pro Quadratmeter). Prag konnte nur durch massive Maßnahmen vor den Wassermassen der Moldau geschützt werden. Eine dramatische Sturzflut in einem Feriendorf in Südrussland riss Anfang August weit über 100 Menschen in den Tod. 
Im Rhônetal fielen am 8./9. September in nur 36 Stunden bis zu 670 Liter Regen pro Quadratmeter; das ist deutlich mehr als die Hälfte des normalen Jahresniederschlags. Große Schäden in Dörfern und Weinbergen um die südfranzösische Stadt Orange waren die Folge. 
In anderen Teilen der Welt, beispielsweise in Australien und den USA, ereigneten sich dagegen anhaltende Dürren und Hitzewellen, die schwere Landwirtschaftsschäden und verheerende Waldbrände mit sich brachten. Diese sind als Vorboten eines neuerlichen „El-Niño“-Ereignisses (nach dem letzten großen „El Niño“ 1997/98) anzusehen. Auf die Auswirkungen dieses Phänomens weisen auch die jüngsten schweren Stürme und Überschwemmungen an der gesamten Pazifikküste der USA hin und in den letzten Tagen die stärksten weihnachtlichen Schneestürme seit Menschengedenken im Mittleren Westen und an der Ostküste der USA. Der Höhepunkt des Phänomens – einer Erwärmung der äquatornahen Gebiete des Pazifiks, der „Wetterküche“ für die ganze Welt – wird normalerweise zur Jahreswende erreicht (daher die Bezeichnung „El Niño“: das Christkind), kann sich aber auch mehrere Monate ins nächste Jahr verschieben. Beim letzten großen „El Niño“ war es im Januar 1998 im Nordosten der USA und im Osten Kanadas zu außerordentlich heftigen Eisstürmen mit versicherten Schäden von 1,2 Mrd. US$ gekommen.
Folgenschwere und Aufsehen erregende Erdbeben
Die folgenschwersten Erdbeben ereigneten sich in Afghanistan: Mehr als 2 000 Menschen kamen bei einer Serie von Erdstößen Ende März in den Hindukusch-Bergen im Nordosten des Landes ums Leben. 
Der von einem mittelstarken Erdbeben ausgelöste Einsturz einer Schule in Molise in Mittelitalien kostete am 1. November 29 Menschen das Leben, unter ihnen 26 Schüler. Dieses Ereignis löste heftige Debatten aus, da die tragischen Folgen hätten verhindert werden können, wenn die Bauqualität der schon vorher bekannten Erdbebengefährdung angepasst gewesen wäre. 
Für Aufsehen sorgte unter Fachleuten das stärkste Erdbeben des abgelaufenen Jahres, das sich am 3. November in Alaska ereignete. Die Magnitude erreichte den seltenen Wert von 7,9 auf der Richterskala. Nur weil das Epizentralgebiet in einer kaum besiedelten Region lag, hielten sich die Schäden in Grenzen. 
Insgesamt ereigneten sich weltweit etwa 70 Schadenbeben, die einen volkswirtschaftlichen Schaden von rund 1 Mrd. US$ und einen versicherten Schaden von diesmal nur 11 Mio. US$ verursachten.
Die Münchener Rück – Forschung und Beratung im Dienste der Assekuranz
Die Münchener Rück erforscht seit fast drei Jahrzehnten die globalen Umwelt- und Klimaänderungen und richtet das Augenmerk auf die Auswirkungen für die Versicherungswirtschaft und auf die Schadenvorbeugung. Dr. Gerhard Berz, Leiter des Bereichs GeoRisikoForschung der Münchener Rück: „Katastrophenschäden werden zum größten Teil durch atmosphärische Extremereignisse verursacht. Dies war auch 2002 so. Langjährige Schadenerfahrungen zeigen, dass Gebäude und Infrastruktur meist nicht ausreichend für die hohen Belastungen durch Wetterextreme ausgelegt sind. Da nach unseren Erkenntnissen kritische Extremwerte bei Windgeschwindigkeiten und Niederschlagsmengen immer häufiger überschritten werden, müssen schon aus diesem Grund auch die Schadenbelastungen stark zunehmen. 2002 war mit 1998 das wärmste Jahr, seit es weltweite Temperaturaufzeichnungen gibt – ein Beleg für den nach wie vor ungebremsten globalen Erwärmungstrend.“
„Klima. Das Experiment mit dem Planeten Erde“
Die Münchener Rück fördert in vielfältiger Weise die Wissensvermittlung auf diesem Gebiet. So unterstützt sie derzeit als Exklusivpartner eine Sonderausstellung des international renommierten Deutschen Museums mit dem Titel „Klima. Das Experiment mit dem Planeten Erde“. Diese Ausstellung bleibt bis zum 15. Juni 2003 in München, anschließend wird sie zur Wanderausstellung. Sie soll der Sensibilisierung für das Thema Klimaänderung dienen und die Bedeutung dieses Phänomens unterstreichen, das erhebliche Risiken für Menschen und Sachwerte birgt.
Hinweis an die Redaktionen:
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Dr. Gerhard Berz (Tel. 0 89/38 91-52 90), Thomas Loster (Tel. 0 89/38 91-52 87) oder Florian Wöst (Tel. 0 89/38 91-94 01).
München, den 30.12.2002 Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
gez. Heyd gez. Küppers
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