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Pressemitteilung vom 29.12.2003

Münchener-Rück-Analyse „Naturkatastrophen 2003'

Münchener-Rück-Analyse „Naturkatastrophen 2003“: volkswirtschaftliche und versicherte Schäden auf hohem Niveau weiter gestiegen / Kurz vor Jahresende: Erdbeben im Iran und in Kalifornien / Münchener Rück startet Initiative zur Vorsorge gegen Erdbebenkatastrophen in der Dritten Welt / Auftakt der Wintersturmsaison in Europa mit Orkantief Jan / Hitzesommer in Mitteleuropa wichtiges Indiz für die Zunahme von Wetterextremen und Vorgeschmack auf die Zukunft

Die Münchener Rück erfasst und analysiert weltweit alle Meldungen über Naturereignisse, die Sach- oder Personenschäden anrichten. Das Jahr 2003 war bis in die letzten Tage geprägt von einer Reihe schwerer Elementarereignisse mit einer im langfristigen Vergleich weit überdurchschnittlichen Zahl von Todesopfern. Die Versicherungswirtschaft muss wegen der verschärften Risikosituation auch weiterhin konsequent handeln, beispielsweise mehr denn je Haftungslimitierungen und risikoadäquate Prämien vereinbaren. Die Ergebnisse für 2003 im Einzelnen:


  • Weltweit kamen über 50.000 Menschen bei Naturkatastrophen ums Leben, fast fünfmal so viele wie im Vorjahr (11.000); nur viermal seit 1980 wurde bisher eine so hohe Zahl an Opfern registriert. Die Hitzewelle in Europa und das Erdbeben im Iran forderten jeweils mehr als 20.000 Opfer.
  • Mit rund 700 erfassten Schadenereignissen lag die Anzahl der Naturkatastrophen auf Vorjahresniveau.
  • Die volkswirtschaftlichen Schäden erhöhten sich auf über 60 (2002: 55) Mrd. US$. Dazu trugen vor allem Tornados, Hitzewellen und Waldbrände bei, aber auch schwere Überschwemmungen in Asien und Europa.
  • Die versicherten Schäden stiegen auf etwa 15 (Vorjahr: 11,5) Mrd. US$. Allein die Tornadoserie im Mai im Mittleren Westen der USA kostete die Versicherer mehr als 3 Mrd. US$.
  • Neben Naturkatastrophen prägten andere bemerkenswerte Ereignisse das Jahr 2003: etwa die Stromausfälle in den USA, England, Dänemark und Italien, Totalschäden bei zwei Satelliten, erneut zahlreiche Terroranschläge, ein schwerer Giftgasausbruch in China kurz vor Jahresende. Diese Ereignisse verursachten jedoch bei weitem nicht das Schadenausmaß und forderten nicht die Opferzahlen der Naturkatastrophen.

> Weitere Zahlen und Details sind in einem Überblick im Anhang zusammengestellt, (PDF-Format, 72 KB)

Erdbeben: hohe Opferzahlen / Iran besonders schwer getroffen

Im vergangenen Jahr ereigneten sich weltweit 70 Beben, die Schäden verursachten. Die volkswirtschaftlichen Schäden lagen mit rund 6 Mrd. US$ jedoch weit über den versicherten Schäden von etwa 100 Mio. US$.

Im Mai hatte ein Erdbeben der Magnitude 6,8 (Richterskala) in Algerien mindestens 2.200 Menschenleben gefordert. Das Beben löste eine Flutwelle (Tsunami) im Mittelmeer aus, die auf Mallorca, Ibiza und Menorca 150 Schiffe und Yachten beschädigte oder zerstörte. Im Februar wurde der Nordwesten Chinas von einem Beben der Magnitude 6,4 erschüttert - das schwerste in der Region seit 50 Jahren. Dabei wurden 70.000 Gebäude beschädigt oder zerstört.

Das Erdbeben, das am 22. Dezember Teile Kaliforniens erschütterte, richtete trotz einer Magnitude von 6,5 keine dramatischen Schäden an, weil es sich glücklicherweise in einer dünn besiedelten Region etwa in der Mitte zwischen Los Angeles und San Francisco ereignete. Die Nähe zu diesen Megacitys macht aber deren außerordentlich hohe Gefährdung bei einem künftigen heftigen Beben deutlich.

Am frühen Morgen des 26. Dezember verwüstete schließlich ein Beben der Magnitude 6,6 die Region um die Stadt Bam im Südosten des Iran. In der 100.000-Einwohner-Stadt an der legendären Seidenstraße fielen die meisten Lehmziegelbauten in sich zusammen und begruben Zehntausende Bewohner unter sich. Die Behörden befürchten mehr als 25.000 Todesopfer und rund 30.000 Verletzte.

Im Iran und in seinen Nachbarländern sind Millionen Menschen einem ähnlich hohen Erdbebenrisiko ausgesetzt: Es ist die Folge der starken Erdbebentätigkeit in dieser seismisch sehr aktiven Region entlang der Kollisionszone zwischen der arabischen und der eurasischen Platte. Hinzu kommen eine hohe Bevölkerungsdichte in den zahlreichen Großstädten und die besondere Verwundbarkeit der nach wie vor weit verbreiteten schweren Lehmziegelbauten ebenso wie der modernen, nicht ausreichend erdbebenresistent konstruierten Betonbauten. Die Liste verheerender historischer Erdbeben-katastrophen ist in dieser Region besonders lang (allein im Iran sechs Beben mit über 5.000 Opfern im letzten Jahrhundert, zuletzt 1990 mit 40.000 Opfern in der Region Rasht am Kaspischen Meer).

Weil sich in vielen Ländern der Dritten Welt eine ähnlich fatale Konstellation von Risikofaktoren findet und sich daraus erschreckend hohe Katastrophenpotenziale ergeben, will die Münchener Rück ihre schon seit mehreren Jahren bestehende Kooperation mit der kalifornischen non-profit-Organisation GeoHazards International nun erheblich intensivieren. Den Startschuss dafür wird ein internationales Symposium bilden, das die Münchener Rück Ende Februar 2004 in ihrem Haus veranstaltet. Dabei werden namhafte Experten der Weltbank, von GeoHazards International, des GeoForschungsZentrums Potsdam und der Münchener Rück den Vorsorgebedarf angesichts der immensen Erdbebenrisiken der Zukunft darstellen und mit hochrangigen Vertretern der deutschen Wirtschaft die zur Verfügung stehenden Instrumente zur Minderung der Schadenpotenziale diskutieren.

Die Münchener Rück beteiligt sich seit langem an einer Reihe weltweiter Initiativen der Vereinten Nationen zur Katastrophenvorsorge; sie leistet so auf einem ihrer Kompetenzfelder einen substanziellen Beitrag zur nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Ländern der Dritten Welt.

Stürme prägen die Schadenbilanz der Versicherer

Ein Drittel der rund 700 erfassten Ereignisse entfiel in 2003 auf Stürme und Unwetter, allerdings waren 75 % der versicherten Schäden aus allen Naturkatastrophen darauf zurückzuführen.


  • Auffällig waren eine Tornadoserie und Hagelunwetter im April und Mai im Mittleren Westen der USA. Die versicherten Schäden beliefen sich auf rund 5 Mrd. US$. Allein die Tornadoserie im Mai zählte mit mehr als 3 Mrd. US$ zu den zehn teuersten Stürmen der Versicherungsgeschichte. In der zweiten Septemberhälfte fegte Hurrikan Isabel über die Ostküste der USA und verwüstete mehr als 360.000 Wohnungen (Gesamtschaden: rund 5 Mrd. US$, versichert: 1,7 Mrd. US$).

Europa blieb diesmal von schweren Stürmen weitgehend verschont. Auch Wintersturm Calvann Anfang Januar verursachte trotz Windgeschwindigkeiten bis 200 km/h in Frankreich, der Schweiz und Deutschland nur relativ moderate Schäden (volkswirtschaftlich: 1 Mrd. US$, versichert: 300 Mio. US$).

Extremereignis Hitzesommer – künftig ein Normalfall?


  • Das herausragende Ereignis des abgelaufenen Jahres in Europa war die extreme Hitze und Trockenheit des Sommers. Allein in Deutschland entsprachen die Hitzerekorde von Juni bis August klimatologisch gesehen einem 450-Jahres-Ereignis; bei einer ungebremst fortschreitenden Erwärmung der Atmosphäre könnte eine solche Hitzewelle bereits im Jahre 2020 zu einem nur mehr 20-Jahre-Ereignis werden. Die Hitze betraf ein sehr großes Gebiet (West- und Mitteleuropa sowie weite Teile des westlichen Mittelmeerraumes). Die volkswirtschaftlichen Schäden erreichten mit rund 13 Mrd. US$ einen außerordentlich hohen Wert. Dennoch ist die Belastung der Versicherer, z. B. aus Dürreschäden, relativ gering, denn Mindererträge in der Landwirtschaft aufgrund von Trockenheit sind in der Europäischen Union meist noch nicht gedeckt.
  • Im Jahr 2003 wüteten in vielen Ländern der Erde folgenschwere Flächenbrände. Für Schlagzeilen sorgten vor allem Waldbrände in Australien, Südwesteuropa, Kanada und den USA. Allein im Oktober und November wurden in Kalifornien Tausende Häuser ein Raub der Flammen. In den Bilanzen der Assekuranz entstand ein Schaden von rund 2 Mrd. US$, das entspricht fast 60 % der volkswirtschaftlichen Schäden.
  • Nach Hitzewellen in Indien, Bangladesch und Pakistan mit Temperaturen bis 50 ºC im Mai und Juni kam es dort zwischen Juni und September zu schweren Überschwemmungen. In China überfluteten die Hochwasser des Huai und des Yangtze 650 000 Wohnungen und verursachten einen volkswirtschaftlichen Schaden von fast 8 Mrd. US$. „Land unter“ meldeten Anfang Dezember auch viele Orte in Südfrankreich, als nach extremen Regenfällen zahlreiche Flüsse, darunter die Rhône, über die Ufer getreten waren; die versicherten Schäden betrugen dort 1 Mrd. US$ (volkswirtschaftlicher Schaden rund 1,5 Mrd. US$).

Außergewöhnliche Einzelereignisse des abgelaufenen Jahres wie die Hitzewelle sind einmal mehr Indizien für den Klimawandel. Sie zeigen, dass künftig mit neuartigen Wetterrisiken und größeren Schadenpotenzialen zu rechnen ist. Stefan Heyd, im Vorstand zuständig für Grundsatzfragen des Rückversicherungsgeschäfts: „Die Assekuranz muss sich auf steigende Risiken und Schäden einstellen. Dies erfordert vor allem Transparenz und Limitierung der Risiken. Ein vorausschauendes Handeln bedeutet auch Anpassungen bei den Preisen.“

Zunahme von Wetterextremen immer deutlicher

Dr. Gerhard Berz, Leiter des Fachbereichs GeoRisikoForschung der Münchener Rück: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Hitzesommer wie diesmal in Europa künftig häufiger zu erwarten sind. Sie können schon Mitte des Jahrhunderts mehr oder weniger zum Normalfall werden. Der Sommer 2003 war sozusagen ein „Sommer der Zukunft“. Schon seit vielen Jahren warnen wir vor der erhöhten Gefahr von Hitzewellen und den damit verbundenen Problemen und Risiken. Wärmere Sommer bedeuten auch, dass Intensität und Häufigkeit von Unwettern zunehmen. So verstärken etwa ein stark erwärmtes Mittelmeer und ein erwärmter Nordatlantik das Risiko, dass sich in Herbst und Winter besonders kräftige Tiefdruckgebiete mit sintflutartigen Niederschlägen und extremen Windgeschwindigkeiten bilden. Dies bestätigten die verheerenden Überschwemmungen in Südfrankreich Anfang Dezember und das Orkantief Jan über West- und Mitteleuropa kurz vor Weihnachten.“

Münchener Rück – Partner beim Klima- und Umweltschutz

Seit nunmehr drei Jahrzehnten engagiert sich die Münchener Rück dafür, der weiteren Klimaerwärmung durch entschiedene Maßnahmen vorzubeugen und die Folgen der menschgemachten Klimaerwärmung zu minimieren. Sie arbeitet unter anderem in Expertenteams des UN-Umweltprogramms (UNEP) mit und trägt dazu bei, das Bewusstsein für umweltbedingte Risiken auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken. Wie wichtig das ist, betonte der UNEP-Chef Prof. Dr. Klaus Töpfer im Dezember 2003 in einem Vortrag vor den Mitarbeitern der Münchener Rück. Auch mit der erneut erfolgreich durchgeführten Zertifizierung ihres Umweltmanagements (zum Beispiel Integration nachhaltiger Kriterien in Rückversicherung und Kapitalanlage) durch einen unabhängigen Gutachter unterstreicht die Münchener Rück ihre Vorreiterrolle im Umwelt- und Klimaschutz.

> Anhang: Die 10 größten Naturkatastrophen 2003, (PDF-Format, 72 KB)